Totale Poesie

Jedes Badezimmer, das man neu bewohnt, könnte das erste Badezimmer sein, in dem man in einer Dusche versucht, Sex zu haben, nur um dann festzustel-len, dass Sex unter der Dusche genau wie Schneeballschlachten und Überstunden eine von diesen Sachen ist, die wirklich nur in Filmen gut aussehen, man wird trotzdem froh sein, dass man es ausprobiert hat, wird die meiste Zeit aber Wasser im Auge haben und Dreckpartikel in unzulänglich verfugten Fliesen entdecken, außerdem ungewöhnlich lange das, na ja, sagen wir einfach mal Design der Dusch-schaum-Flasche anstarren. Im Anschluss fühlt man sich, obwohl man technisch betrachtet lange unter der Dusche stand, sonderbar ungeduscht, weil die genaue Reihenfolge, mit der man sich mit unterschiedlichem Zeug an unterschiedlichen Körperstel-len einreibt, viel zu intim ist, als dass man das dem Menschen, mit dem man da gerade Sex hat, wirklich zeigen möchte, also verlässt man die Dusche mit diesem leicht talgigen Gefühl auf der Haut, man spürt, dass da noch Schuppen und Hautfett zu entfernen wären, bestimmt riecht man nicht mal wirklich cremig, wozu die Mühe, fragt man sich dann, wozu.

Sophie Paßmann: Komplett Gänsehaut, S. 40/41

Es sind nicht die Bandnudelsätze von Sophie, die die Lektüre ihrer Werke so besonders machen. Nein, es ist die schonungslose Offenheit der Worte, die keine Schamgeenze einengt. Es ist dieser besondere Sophie-Paßmann-Stil. Erfrischend gut, anders und sehr lesenswert. BTW/: Das obige Zitat besteht nur aus zwei Paßmann-Sätzen.
Ukrainische Flagge

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